Führungskräfte müssen über zahlreiche Fähigkeiten verfügen, um den Anforderungen des modernen Berufslebens gerecht zu werden. Einerseits müssen sie Unternehmensziele, Kunden und Geschäftspartner im Blick haben und oft schnelle, weitreichende Entscheidungen treffen, andererseits sollen Mitarbeiter:innen gestärkt, motiviert und geführt werden. Weil die Belegschaft das Herzstück eines Unternehmens ist, darf in der Personalführung nicht auf veraltete Methoden zurückgegriffen werden, die sich nicht bewährt haben. Coaching gilt als zeitgemäß und modern. Deswegen beschäftigen wir uns heute mit der Frage, ob Führung heute bedeutet, auch gleichzeitig systemischerCoach für die Mitarbeiter:innen zu sein und erklären, was systemisches Coaching eigentlich ist.
Diese Inhalte erwarten dich:
Das sind die Aufgaben eines Coachs
Grundlagen des systemischen Coachings
Die Zielformulierung
Der Ablauf des systemischen Coachings
Systemische Fragetechniken
Ist Leading und systemischesCoaching gleichzeitig möglich?
Fazit
Das sind die Aufgaben eines Coachs
Den Begriff "Coach" verwendet man nur allzu schnell, ohne sich Gedanken über seine tatsächliche Tragweite zu machen. Ihrer Wortbedeutung nach ist die "coach" eigentlich eine "Kutsche". Diese Übersetzung liefert uns gleich zu Beginn einen wichtigen Hinweis auf die originären Aufgaben eines Coachs. Er ist die Begleitung - der Kutscher oder Wagenlenker - auf dem Weg zu einer Problemlösung. Um ans Ziel zu kommen, gibt er seinem Fahrzeug die Möglichkeit, einen anderen Weg einzuschlagen als bisher.
Anhand dieses Bildes wollen wir verdeutlichen, dass ein Coach ein Prozessbegleiter ist, der sich darauf versteht, zum richtigen Zeitpunkt einen Impuls zu setzen, der es uns ermöglicht, die Perspektive zu wechseln. Er wird uns nie die Lösung auf dem Silbertablett servieren, denn es ist seine tiefe Überzeugung, dass wir in der Lage sind, sie in uns selbst zu finden.
Grundlagen des systemischen Coachings
Das systemische Coaching etablierte sich Anfang des 2000er-Jahre auch im Management. Ihren Ursprung hat diese Form der lösungs- und kompetenzorientierten Begleitung im familientherapeutischen Bereich. Aufbauend auf der Erkenntnis, dass menschliche Verhaltensweisen oft an ein bestimmtes "System" gebunden sind, betrachtet der systemische Coach seinen Coachee ganzheitlich. Er bezieht also die äußeren Gegebenheiten (sogenannte Systeme), wie beispielsweise das Team oder die Familie, mit in seine Überlegungen ein. Dabei betreibt er niemals Ursachenforschung, denn diese richtet den Blick in die Vergangenheit. Der Fokus des Coachees soll aber auf der Gegenwart und der Zukunft liegen.
Die Zielformulierung
Am Anfang eines systemischen Coaching-Gespräches steht die Zielformulierung. Es kann sein, dass der Coachee sich über sein Ziel noch gar nicht im Klaren ist und hier bereits einen Impulsgeber braucht. Vielfach herrscht nämlich Ratlosigkeit, warum bestimmte Probleme immer wieder auftauchen oder der/die Mitarbeiter:in immer wieder an seine/ihre Grenzen stößt. Anhand einiger Beispiele wollen wir veranschaulichen, wie solch eine Zielformulierung aussehen kann:
Ein/e Mitarbeiter:in möchte sich weiterentwickeln, weil er/sie unzufrieden im Job ist, weiß aber nicht in welche Richtung er/sie gehen kann, weil er/sie die eigenen Stärken und Schwächen nicht einschätzen kann. Das Ziel könnte hier lauten: "Ich will lernen, meine eigenen Ressourcen zu erkennen und zu nutzen."
Ein Coachee möchte gerne souverän vor anderen Menschen sprechen können. Das Anliegen könnte heißen: "Ich möchte meine Kommunikationsfähigkeiten ausbauen."
Menschen, die sich schwertun, ihre Meinung auszusprechen, könnten ihr Ziel so formulieren: "Ich möchte an meiner Konfliktfähigkeit arbeiten."
Dabei werden noch zeitlich messbare Zielelemente im besten FAll erarbeitet genauso wie ein Anreiz/ Grund das Ziel zu erreichen ausformuliert, um die Attraktivität der Zielerreichung auch immer präsent zu machen.
Der Ablauf des systemischen Coachings
Nach der Zielfestlegung geht es im weiteren Verlauf des Coachings darum, individuelle Fähigkeiten und Verhaltensweisen - und zwar unter Berücksichtigung der komplexen Wechselwirkungen zwischen Coachee und Umwelt - als Ressourcen zu erarbeiten und dem Coachee ins Bewusstsein zu rufen, damit der Coachee sein Ziel aus eigener Kraft erreichen kann. In dieser Phase können verschiedene Methoden zum Einsatz kommen, exemplarisch seien erwähnt:
Reflexionsübungen
Rollenspiele
Feedback-Gespräche
systemische Aufstellungen
Erarbeitung von Handlungsabläufen
Erlernen von Kommunikationstechniken, z. B. gewaltfreie Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg
Zürcher Ressourcen Modell nach Maja Storch
Die systemischen Fragetechniken
Wie bereits oben dargestellt, wird ein systemischer Coach seinem Coachee also helfen, Antworten und Lösungen in sich selbst zu finden. Um die Impulse zu setzen, die für den Coachee so wichtig sind, um einen Perspektivwechsel vorzunehmen, wird er spezielle, systemische Fragetechniken anwenden.
Diese sind grundsätzlich darauf ausgelegt, zur Selbstreflexion und zur Einbeziehung des gesamten Systems anzuregen. Es kann sich sowohl um hypothetische oder paradoxe Fragen als auch solche, die auf Gefühle und Bedürfnisse abzielen, handeln. Im Rahmen dieses Prozesses kann der Coachee sodann bestehende Blockaden auflösen und neue Lösungswege finden, weil er Abstand von seiner bisherigen - wahrscheinlich tendenziell destruktiven - Sichtweise bekommt. Hier einige Beispiele für mögliche systemische Fragen:
Wie denken sie, fühlen sich ihre Kollegen in dieser Situation?
Bei welchem Kollegen würden sie sich Rat holen und was würde er ihnen ans Herz legen?
Was müssten sie tun, um endgültig zu scheitern?
Was würde ihre Familie dazu sagen?
Wie würden sie entscheiden, wenn sie nur für sich alleine verantwortlich wären?
Wie sind sie in der Vergangenheit mit dem Problem umgegangen?
Was würde das Team zu diesem Vorschlag sagen?
Woran würden sie merken, dass sich das Problem in Luft aufgelöst hat?
Ist Führung und systemisches Coaching gleichzeitig möglich?
Zugegebenermaßen ist die Aufgabe, Führungskraft und systemischer Coach gleichzeitig zu sein, mehr als anspruchsvoll. Schließlich soll in diesem Fall der Coach ein System zur Veränderung anregen, zu dem er selbst gehört. Das erfordert die Fähigkeit, in der Mitarbeiterbegleitung eine distanzierte Position zum Unternehmen, zum Team und auch zu sich selbst einnehmen zu können. Zudem ist ein äußerst vertrauensvolles Verhältnis zum/zur Mitarbeiter:in Grundvoraussetzung. Berechtigterweise wird deshalb oft Kritik an Führungskräften geübt, die ihre Mitarbeiter:innen selbst systemisch coachen. Unmöglich scheint es uns dennoch nicht.
Der vermutlich mittlerweile am häufigsten gewählte Weg ist der des abteilungsunabhängigen systemischen Unternehmenscoachs, der gleichzeitig auch die Führungseben coachen kann.
Fazit
Schlussendlich ist es die persönliche Entscheidung der Führungskraft, ob sie gleichzeitig Coach ihrer Mitarbeiter:innen sein möchte. Wenn nicht, sollte das respektiert werden, denn schließlich können auch externe Coaches diese Aufgabe übernehmen. Andernfalls ist unbedingt eine fundierte Zusatzausbildung erforderlich. Aus den dargestellten Grundlagen des systemischen Coachings kann jede/r Einzelne trotzdem schon jetzt viel für sich mitnehmen, denn: Die Lösung liegt immer in uns selbst. Wir müssen uns nur die richtigen Fragen stellen.
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