Uns hat im Verlauf der Corona-Krise zunehmend interessiert, inwiefern die wirtschaftliche Situation die Anforderungen an einen neuen Arbeitgeber verändern wird. Viele Arbeitnehmer/innen sind aktuell in Kurzarbeit oder vielfach wurden Arbeitsplätze ins Home-Office verlegt. Derzeit gehen Schätzung davon aus, dass die Corona-Krise in Deutschland 1 Mio. Jobs kosten wird.
Wir haben uns daher gefragt: „Was wird nun für Kandidaten an Bedeutung gewinnen oder sogar zwingend erforderlich sein, damit sich diese zu einem neuen Job in Zeiten der Unsicherheit durchringen werden? Welche zusätzlichen Benefits müssen geboten werden, damit sich ein Arbeitnehmer aus einer unbefristeten Festanstellung herausbewegt und eine Probezeit und damit einen höheren Grad an Unsicherheit akzeptiert?"
Wir haben fest damit gerechnet, dass durch die anhaltende Krise Arbeitgeber wieder ein Stück mehr Macht am Arbeitsmarkt zurückerlangen. Insbesondere aufgrund des zu vermuteten Sicherheitsbedürfnisses der Arbeitnehmer und steigender Arbeitslosigkeit.
Unsere Annahme lautete wie folgt:
Für Arbeitgeber besteht eine größere Chance Wunschtalente für sich zu gewinnen.
Gleichzeitig werden sich aber Fachkräfte, die nicht auf Jobsuche sind, den Jobwechsel vergolden lassen und besondere Anreize erwarten.
Die zur Jobsuche „gezwungenen“ Fachkräfte werden noch mehr Gewicht auf die Themen Sicherheit & Entfristung legen.
Vor der Corona-Krise war der Arbeitsmarkt deutlich stärker Arbeitnehmer getrieben und das Phänomen Fachkräftemangel in vielen Branchen massiv spürbar. Dadurch galt es selbst für die großen Unternehmen sich als potenzieller Arbeitgeber möglichst attraktiv zu präsentieren. Hierdurch entstanden viele Facetten und Möglichkeiten des Employer Brandings, welche einzusetzen von immer größerer Bedeutung waren.
Nun wollten wir es genau wissen und starteten auf Basis dieser Annahmen im April zur Hochzeit der Corona-Krise unsere Online-Befragung. Hierfür forderten wir über die gängigen sozialen Medien im Rahmen unserer Postings zur Teilnahme an unserer Online-Befragung auf. Dabei gaben wir den Befragten die Möglichkeit aus 26 arbeitgeberseitig möglichen gebotenen Anreizen zu wählen und diese nach Präferenz zu gewichten. Diese Anreize teilten wir zudem in vier übergeordnete Rubriken auf.
Diese Aufteilung sollte uns dabei helfen zusammenfassend bessere Schlüsse ziehen zu können, wo die Bedürfnisschwerpunkte der Jobsuchenden und nicht-suchenden Kandidaten liegen. Angaben der Befragten in einem Freitextfeld ergaben keine sonderlichen Anpassungspotenziale an unserer ursprünglichen Aufteilung, daher nehmen wir an, alle relevanten Anreizmöglichkeiten identifiziert zu haben.
Von insgesamt 186 Personen haben wir aufschlussreiche und valide Antworten erhalten, wodurch sich unerwartete Ergebnisse herauskristallisierten, die uns wirklich verblüfften:
Home-Office hat zukünftig bei Arbeitnehmern deutlich Priorität!
Aus unseren Antwortmöglichkeiten auf die Frage „Welche zusätzlichen Anreize muss ein Arbeitgeber aktuell bieten, damit Sie als Arbeitnehmer den Jobwechsel vollziehen würden?“, wurden folgende Optionen am meisten ausgewählt (Abbildung 2):
Dabei lassen sich in der Unterscheidung zwischen „aktiv Jobsuchenden“ und „derzeit nicht auf Jobsuche befindlichen“ Befragungsteilnehmer erhebliche Unterschiede in der Gewichtung feststellen.
Bei diesen zwei unterschiedlichen Kandidatengruppen rangiert der Wunsch nach Home-Office auch im Normalbetrieb in Summe auf Platz 1 und 2 allerdings mit einem überragenden Abstand zu anderen Benefits. Bei den „Chancenjägern“ spielt ein höheres Gehalt eine größere Rolle als bei nicht suchenden Kandidaten, was unsere Annahme untermauert, dass sich die Kandidatengruppe den Jobwechsel eher vergolden lassen möchte. Bei den Jobsuchenden ist allerdings aktuell die Möglichkeit im Home-Office zu arbeiten auf Platz 1. Viele weitere Anreize wie Betriebliches Gesundheitsmanagement, Gesundheitsangebote, Mobilitätslösungen, Betriebliche Krankenversicherung haben für die Befragten keinen signifikanten Wert (in dieser Situation).
Losgelöst von einzelnen Anreizen, zeigt sich in der Gesamtbetrachtung, dass Flexibilität wichtiger ist als sicherheitsorientierte, monetäre oder gar nützliche Anreize. Addiert man die Gewichtung der Anreize zusammen, wird deutlich, mit welchen Anreizen Arbeitgeber potenzielle neue Mitarbeiter/innen zu einem Jobwechsel bewegen können.
Negative Job-faktoren rücken ins BEWUSSTSEIN
So verblüffend die Ergebnisse im ersten Moment für uns waren, so bestätigend waren seit Beginn der Corona-Krise die Gespräche mit unseren Vertriebsprofis, die sich gezwungenermaßen auf Jobsuche befinden oder freiwillig begeben haben. Denn durch die wegfallenden Kundenbesuche und Präsenztage in Hauptverwaltungen oder Niederlassungen beim Arbeitgeber, hatten viele zum ersten Mal seit Jahren die Möglichkeit sich stärker auf sich selbst zu besinnen. Ablenkungen fielen weg, wodurch zum Vorschein kam, was einen schon länger an seiner aktuellen Aufgabe störte oder inneren Stress verursachte.
Ins Bewusstsein unserer Kandidaten rückten die negativen Job- Faktoren entweder, weil sie durch die Arbeit im Home-Office nun deutlich mehr mit diesen in Berührung kamen oder deutlich weniger. Wenn sie weniger mit sogenannten „Stressoren“ in Berührung kamen, stellte sich eine Erleichterung ein, allerdings mit der gleichzeitig gewonnen Erkenntnis, was nach der Aufhebung der Home-Office-„Verordnung“ unmittelbar wieder zu Stress führen würde. Wir haben dadurch begonnen von dem neuen Selbstbewusstsein zu sprechen, welches durch die Corona-Krise bei Kandidaten Einkehr erhält. Denn Kandidaten hatten drei Monate mehr Zeit sich wieder über Ihre persönlichen Wünsche und Ziele bewusster zu werden. Am häufigsten wurde erwähnt, dass der Gewinn an Zeit durch das Wegfallen der An- und Heimfahrten zwischen Wohn- und Arbeitsstätten als sehr wertvoll erachtet wird.
Von Arbeitgeberseite werden zum Stand dieser Veröffentlichung, selbst nach Abschwächen der Pandemie in Deutschland erst 25-30% der betroffenen Mitarbeiter in die Büros zurück geordert. Es bleibt auch weiter davon auszugehen, dass die Home-Office Tätigkeit für viele, entweder fester Bestandteil der Arbeitsplatzsituation sein wird oder nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen, die Unternehmen weiterhin wenigstens die nötige Flexibilität erlangen müssen, auf ähnliche Szenarien ad hoc reagieren zu können.
Der Kulturwandel in den Unternehmen im Umgang mit Home-Office ist zwangsläufig
Abschließend können wir daraus ableiten, dass in den Unternehmen, in denen noch bis vor kurzem Präsenztage in Hauptverwaltungen oder Niederlassungen für den Vertrieb beispielsweise zwingend gewünscht waren, ein Kulturwandel stattfinden muss, um die nötigen Veränderungen für mehr Flexibilität auf beiden Seiten umsetzen zu können.
Zum einen wird das zur Folge haben einen deutlichen Change-Prozess auf Führungsebene in Gang zu setzen, denn eine spürbare Work-Life-Balance zu schaffen ist klare Führungsaufgabe. Ein Vorgesetzter kann durch sein Handeln signalisieren „Es ist in Ordnung um 17.30 Uhr Feierabend zu machen.“.
Zum anderen muss die technische Ausstattung im Home-Office angeglichen werden, damit die Mitarbeiter auch hier in puncto Gesundheitsprävention die entsprechende Unterstützung erfahren. Unternehmen werden zukünftig mehr Wert darauf legen, das Home-Office Ihrer Mitarbeiter mit höhenverstellbaren (Laufband-) Schreibtischen, ergonomischen Bürostühlen, Tastatur und Maus aus zu statten und auf technischer Ebene größere Monitore und Docking-Stations zu den Notebooks bereitstellen.
Darüber hinaus werden innovative und ergänzende Möglichkeiten zur Pflege der sozialen Strukturen innerhalb der Belegschaft von essenzieller Bedeutung, um auch auf semi-persönlicher Ebene mehr Nähe zu schaffen und die Arbeit im Team digital einfacher, zugänglicher und damit stärker zu machen. Denn die meisten unserer Kandidaten gaben an, dass sie an ihrer Arbeit im Büro vor allem eine bessere technische Ausstattung und den Kontakt zu Ihren Kollegen vermissen.
Sofern Unternehmen also zukünftig an diesen Punkten arbeiten, um die Arbeit im Home-Office zu verbessern, werden sie damit umso attraktiver für potenzielle Kandidaten und generieren daraus signifikante Wettbewerbsvorteile. Denn eines ist auch klar, der Wirtschaftsraum Deutschland verfügt über die Stärke diese Krise zu meistern und Unternehmertum nachhaltig positiv zu gestalten. Eine Investition ist den kulturellen Wandel ist eine Investition in die Zukunft der Unternehmen.
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